Tipps für den Umgang mit Rettungskräften

„Fahr da mal schnell hin!“ - Das Dilemma der Presse und Rettungskräfte bei einem Schadensereignis

Ein Unglück hat sich ereignet. Das ist eine stressige Situation auf beiden Seiten: Feuerwehrleute wie Journalisten sind aus ihrer täglichen Routine herausgerissen und versuchen ihr Bestes, um die Situation zu bewältigen. Die einen wollen helfen, die anderen ihre Redaktion mit Informationen und Bildern versorgen. Wie kann da gute journalistische Arbeit gelingen, ohne Betroffene oder Rettungskräfte zusätzlich zu belasten?

In unserer täglichen journalistischen Arbeit kommt es oftmals vor, dass  Kollegen, die in der Berichterstattung über schwere Unglücksfälle nicht erfahren sind, von einer Minute auf die andere zu einem Großfeuer oder einem schweren Unfall mit Toten und Verletzten gerufen werden. Aber dann sollen sie professionell berichten. Sie treffen dabei allerdings auch auf freiwillige Helfer von Feuerwehren und Hilfsorganisationen, die zwar professionell für ihre eigentliche Aufgabe ausgebildet wurden, aber im Umgang mit der Presse völlig unerfahren sind.

Dies sind meine Erfahrungen und Tipps über Situationen, die vor Ort entstehen können:

Verhalten an der Einsatzstelle

Sicherheitsabsperrungen

Ein Sicherheitsband hängt quer über der Straße. Aber keiner, der es „bewacht“. Gute Bilder sind von hier aus nicht zu bekommen. Da kann die Versuchung groß sein, einfach darüber zu steigen.

Was tun? 

  • Wenn Sie näher heranwollen, fragen Sie vorher die Einsatzleitung um Erlaubnis.
  • Halten Sie sich an die Absperrungen
  • Akzeptieren Sie ein Nein.

Drehgenehmigungen auf Privatgelände

Ich befand mich gerade auf dem Weg in die Redaktion, als ich von einem Großbrand auf einem Bauernhof erfuhr. Der Hof war nur drei Autominuten von mir entfernt. Deshalb traf ich noch vor der Feuerwehr ein. Die Bewohner des Hauses waren auf die Straße gelaufen und sahen mich erstaunt an, als ich die Kamera auspackte, um das Eintreffen der Feuerwehrleute zu drehen. Sollte ich sie fragen, ob ich auf das Grundstück darf? Je früher Journalisten an einer Unglücksstelle eintreffen, desto besser sind die Bilder. Doch wenn die ersten Feuerwehrleute gerade erst eintreffen, gibt es noch keine Absperrung.

Was tun?

  • Wenn es (noch) keine Absperrungen gibt: Halten Sie Abstand.
  • Denken Sie an Ihre eigene Sicherheit.
  • Respektieren Sie Privatgelände.

 Verhalten gegenüber Beteiligten / Verletzten

Klar, die beste Geschichte über einen Brand oder einen Unfall gelingt, wenn man die Betroffenen vor der Kamera befragen kann. Diese schildern, wie sie den Brand entdeckten, oder wie es ihnen bis zum Eintreffen der Feuerwehr ging.

Beim Brand eines Bauernhofes waren in der Nacht mehrere Tiere umgekommen. Der Landwirt hatte noch vergeblich versucht, sie aus dem brennenden Stall zu retten. Als ich mit dem Einsatzleiter der Feuerwehr bei den schwelenden Trümmern stand, kam der Bauer zu uns. Er hatte die ganze Nacht über nicht geschlafen und stand sichtlich unter Schock. Sollte ich die Gelegenheit nutzen und ihn um ein Interview bitten?

Viele Betroffene sind so beeinflusst von dem Geschehen, dass sie durchaus ein Interview geben würden. Über die rechtlichen oder versicherungstechnischen Folgen sind sie sich dabei allerdings nicht im Klaren. Auch für viele Einsatzkräfte kann es zusätzlichen Stress bedeuten, wenn Journalisten die Betroffenen aus der Nähe filmen oder gar interviewen wollen. Sie sehen sich in solchen Momenten als „Anwälte“ der Betroffenen und versuchen sie zu schützen.

Was tun?

  • Nehmen Sie sich Zeit und überlegen Sie erst, bevor Sie einen Betroffenen / Verletzen interviewen. Auch, wenn er oder sie zugestimmt hat oder die Personen von sich aus auf die Medienvertreter zukommen.
  • Das gilt erst recht, wenn Jugendliche oder Kinder involviert sind.

Verhalten gegenüber Einsatzkräften 

Was geht in den Feuerwehrleuten bei einem schwierigen Einsatz vor? Wer auf solche Fragen Antworten findet, erntet meist viel Lob für seinen Bericht. 

Als ich gegen ein Uhr Nachts bei einem Großfeuer in der Itzehoer Innenstadt eintraf, gab es noch keine Absperrungen, ich konnte mich frei in der Nähe des brennenden Hauses bewegen. Mir fiel auf, wie niedergeschlagen einige Feuerwehrleute waren. Wenig später erfuhr ich, dass es ihnen nicht gelungen war, einen Menschen aus dem obersten Stockwerk zu retten. Sie hatten ihn noch schreien hören, aber sie konnten sein Fenster mit der Drehleiter nicht erreichen. Sollte ich sie vor laufender Kamera fragen, wie sie sich jetzt fühlen?

Feuerwehrleute – auch freiwillige – sind Profis. Sie sind darauf vorbereitet, Menschenleben zu retten. Doch in solchen Momenten sind sie einfach Menschen, auch für sie kann ein Einsatz ein traumatisierendes Erlebnis sein. Seit einigen Jahren bieten Experten deshalb für Betroffene und auch für Einsatzkräfte psychologische Betreuung an. In den meisten Fällen sind Einsatzkräfte übrigens überhaupt nicht berechtigt, Auskünfte an die Presse zu geben.

Was tun?

  • Sprechen Sie den Einsatzleiter an, wenden Sie sich an die Pressesprecher vor Ort.
  • Bitten Sie ihn um die Genehmigung, Einsatzkräfte anzusprechen.
  • Überlegen Sie gut, was Sie für Fragen stellen. Sie können ein Trauma verstärken. (Tipps für Interviews mit traumatisierten Menschen)

Fazit

Zwar stellen diese Erfahrungen auch klar, dass es Einschränkungen gibt, die es nicht unbedingt einfacher machen, einen „tollen Bericht“ oder Film abzuliefern. Aber Sie richten keinen zusätzlichen Schaden an, in einer Situation, die per se für alle Beteiligten äußerst schwierig und angespannt ist.

Ein Tipp für die filmische Realisierung:

Gedanken der Einsatzkräfte oder Betroffenen kann man auch texten. Und die Bilder – auch aus angemessener Entfernung – sind meistens immer noch eindrucksvoll genug. Unterschätzen Sie nicht die Phantasie und die Empathie der Zuschauer oder Leser.