Berichten über das Leid - Leiden nach dem Bericht.

Wenn Journalisten traumatische Erfahrungen machen. Mit seiner 10. Jahrestagung zu Trauma und Journalismus setzte der Verein Qualität im Journalismus ein Thema.

Mit seiner 10. Jahrestagung zu Trauma und Journalismus setzte der Verein Qualität im Journalismus ein Thema. Die Herzberg-Tagung vom 4. November 2008 im „Sportstudio“ von Schweizer Radio DRS war ein Erfolg.


Ein Großteil der journalistischen Meldungen, rechnet Mark Brayne vom „Dart Centre for Journalism and Trauma“ in London, haben ein traumatisches Erlebnis zum Gegenstand.



Vom Recht, nicht traumatisiert zu werden, sprach Gregor Sonderegger, Russlandkorrespondent von Schweizer Fernsehen. Er weilte im September 2004 als Berichterstatter in Beslan. Die Konfrontation mit traumatischen oder traumatisierenden Erlebnissen ist beileibe nicht nur Sache von Auslands- oder Kriegsberichterstattern. Häufiger betroffen sind Lokaljournalistinnen und -journalisten. Gemäss einer amerikanischen Studie aus dem Jahr 1999 haben drei Viertel der Journalistinnen und Journalisten Erlebnisse mit Feuer, zwei Drittel mit Autounfällen und 60 Prozent mit Mordfällen.



Die Auseinandersetzung mit den „tristen Aspekten des Lebens“, wie es an der Tagung genannt wurde, sei weniger belastend, wenn man das Gefühl habe, irgendwem nützlich zu sein, so ORF-Journalist Christoph Feurstein. Sein Beispiel machte deutlich, dass häufig gerade junge und unerfahrene Kolleginnen und Kollegen an die Tatorte von Unfällen und Verbrechen geschickt werden. Bei Natascha Kampuschs Verschwinden 1998 wurde der gerade einmal 26-Jährige zum Interview mit der verzweifelten Mutter aufgefordert: „Es hiess, schicken wir den Jüngsten. So habe ich das Thema geerbt.

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Eine Reihe von Journalistinnen und Journalisten berichteten, wie sie mit dem Problem umgehen. Bei Radio Pilatus wird nach Anzeichen von Traumatisierungen unter jungen Redaktionsmitgliedern mit dem Care-Team der Kantonspolizei Luzern zusammengearbeitet. Deren Ausbildungschefin Brigitte Dubacher implementierte die Traumavorbeugung und -verarbeitung in ihrem Korps. Auch sie setzt auf die Bringschuld der Arbeitgeber, nicht die Holschuld der Arbeitnehmer: „Ein Betrieb hat die Verantwortung, die Betreuungsangebote zur Verfügung zu stellen. Was für die Blaulichtorganisationen gilt, trifft auch für die Journalisten zu.“



Mit dem Tagungsthema Trauma hat der Verein Qualität im Journalismus ein Thema gesetzt. Hierzulande bietet gerade einmal die Schweizer Journalistenschule MAZ einen Kurs dazu an. Wiederholt war während der Veranstaltung von der Ökonomie die Rede. So wurde beispielsweise konstatiert, dass schlimmstenfalls ein Gerichtsprozess oder ein Todesfall nötig sei, bis die Chefs in den Redaktionen das Thema wirklich ernst nehmen. Das letzte Wort in Sachen Traumaverhütung und -behandlung dürfte in den Schweizer Medienhäusern noch nicht gesprochen sein. Die Tagung wurde von Patrick Rohr moderiert.


Quelle: quajou.ch- Dort finden Sie auch eine ausgezeichnete Dokumentation der Tagung


PRESSE ECHO:


"Wieviel Hitze muss man ertragen können?"
- Sehr lesenswerter Kommentar in der NZZ von Rainer Stadler