Notizen vom Seminar-Besuch beim Dart-Center in London, 15. Juni 2005

In der deutschen Journalismus-Ausbildung kommt das Wort "Trauma" nicht vor. Wie wichtig dieses Thema allerdings gerade für Regional- und Lokaljournalisten ist, erläutert Claudia Fischer aus Bielefeld/Deutschland. Eine beeindruckende Ausbildungseinheit zum Thema "Trauma" erlebte die Journalistin und Medienpädagogin bei einem Dart Centre Seminar für Ausbilder in London.

In der deutschen Journalismus-Ausbildung kommt das Wort "Trauma" nicht vor. Wie wichtig dieses Thema allerdings gerade für Regional- und Lokaljournalisten ist, erläutert Claudia Fischer aus Bielefeld/Deutschland. Eine beeindruckende Ausbildungseinheit zum Thema "Trauma" erlebte die Journalistin und Medienpädagogin bei einem Dart Centre Seminar für Ausbilder in London.

"Es war ein schlechter Tag. Es war ein sehr schlechter Tag", wiederholt der alte Mann immer wieder. Er hat die Bombenattentate in der Londoner U-Bahn überlebt und wird noch im Sanitätszelt von einer Reporterin interviewt. Auf dem Fernseh-Bildschirm sieht man einen Arm, der ihm offensichtlich den Rücken stützt, außerdem das Mikrofon der Reporterin. "Was ist mit Ihnen unten im Zug geschehen?", fragt die Reporterin. Er erzählt stockend und wiederholt mit gesenkten Augen immer wieder: "Es war ein schlechter Tag. Es war ein sehr schlechter Tag." Die Reporterin bleibt hartnäckig: "Wurden Menschen verletzt, die in Ihrer Nähe saßen?"

Mir, sicher in Deutschland auf dem Sofa sitzend, schnürt sich die Kehle zusammen. Genau so eine Situation habe ich schon einmal gesehen, Mitte Juli, ebenfalls in London.

Damals war ich bei einem Tagesseminar des Dart Centres. Ein Schauspieler spielte beängstigend realistisch das Opfer eines Wohnungsbrandes: "Wo ist mein Neffe? Wie kann ich meinen Neffen finden?", wiederholte er immer wieder. Interviewt wurde er von einer jungen Seminar-Teilnehmerin, einer Studentin der City University, London. Auch sie fragte hartnäckig weiter: "Wo genau haben Sie Ihren Neffen denn zum letzten Mal gesehen? Waren Sie in der brennenden Wohnung?" Nach dem Interview gab Mark Brayne, der Europa-Direktor des Dart Centres, ihr den Rat: "Man darf traumatisierte Menschen nicht immer wieder durch Fragen in die traumatische Situation zurück versetzen. Das kann ihnen schaden."

Und jetzt muss ich vom Sofa aus zusehen, wie die Kollegin im Fernsehen genau diesen Fehler macht. Dabei wird mir noch einmal klar, wie wichtig es ist, Journalistinnen und Journalisten zum Thema "Trauma" zu schulen.

Nicht nur bei Reportagen in Kriegsgebieten oder nach spektakulären Terror-Akten werden wir mit traumatisierten Opfern oder traumatisierenden Situationen konfrontiert. Ich erinnere mich gut an meine hilflosen Interviews mit schwer traumatisierten Opfern sexualisierter Gewalt. Und an einige schlimme, möglicherweise traumatisierende Situationen, in die mich meine Arbeit als freie Journalistin für den WDR immer wieder gebracht hat. Ob es ein Verkehrsunfall ist oder ein Großbrand, über den ich berichte - auch als Regionalreporterin im friedlichen Ostwestfalen-Lippe drohen mir täglich Bilder und Erlebnisse, die eine Seele nicht immer schadlos übersteht.

Beim Seminar in London am 15. Juni 2005 berichtete Roger Simpson, Executive Director des Dart Centres aus Seattle/USA, von dortigen Erfahrungen in der Ausbildung zum Thema "Journalismus und Trauma". Es lauschten und diskutierten ca. 30 erfahrene Journalistinnen und Journalisten, mehrere tätig bei der BBC/BBC World, aber auch bei Zeitungen oder Nachrichtenagenturen, aus Osteuropa oder Deutschland, viele davon auch in der Ausbildung des Journalisten-Nachwuchses engagiert. Selten habe ich gestandene Kolleginnen und Kollegen so konzentriert und konstruktiv, so persönlich, und doch ohne Eitelkeiten, über Ethik in Stress-Situationen und die persönlichen Risiken ihres/unseres Jobs sprechen hören.

Ich hoffe sehr, das Thema "Journalismus und Trauma" bald auch in deutschen Seminar-Angeboten zu finden - erste Gespräche haben bereits stattgefunden. Meine Notizen aus dem Londoner Seminar stelle ich hier gerne zur Verfügung:

Wenn Journalist/innen "Professional First Responders" sind (also die ersten Profis, denen ein Trauma-Opfer am Ort einer Katastrophe begegnet):

  • Oberste Regel für Journalist/innen: Sorgen Sie für Ihre persönliche Sicherheit vor Ort! Ist die Gefahr wirklich vorbei? Drohen weitere Explosionen, treten giftige Substanzen aus, hat die Polizei wirklich alle Täter in Gewahrsam genommen?
  • Suchen Sie sich Unterstützung! "Arbeitsschutzvorschriften" sind für jede andere Berufsgruppe selbstverständlich. Rettungskräfte werden geschult, wie sie mit den Erlebnissen umgehen können. Für Rettungskräfte und Zeugen gibt es am Unglücksort, z.B. in Eschede oder bei der Schul-Schießerei in Erfurt, Militär- und Notfallseelsorger, aber nicht ausdrücklich für die Journalisten.
  • Sie können mit Ihren Fragen oder Aufnahmen die Opfer einer Katastrophe / eines Unfalls psychisch verletzen oder schädigen. Achten Sie darum besonders auf das, was Sie tun! 

Warum Trauma-Schulungen für Journalist/innen immer wichtiger werden (insbesondere für TV-Kolleg/innen):

  • Sport- und Wirtschaftsjournalisten bekommen ressort-spezifische Ausbildungen. Gewalt-, Katastrophen- oder Notfall-Journalist kann "aus Versehen" jeder werden, aber kaum jemand ist auf diese Situation vorbereitet.
  • Der kommerzielle Druck der Medien steigt: Berichte müssen immer schneller, direkter, menschelnder werden - das birgt das Risiko, dass Hemmschwellen sinken.
  • Flexiblere Medientechnik ermöglicht noch schnellere Einsatzfähigkeit vor Ort.
  • Im Aktualitätsdruck treffen Kolleg/innen in den oft weit entfernten Heimatredaktionen unter Umständen unsensible Entscheidungen, weil z.B. schnell Sondersendungen gefüllt werden müssen.
  • Andere Redaktionen mit skrupellosen Kolleg/innen haben häufig schon "verbrannte Erde" vor Ort hinterlassen, wenn z.B. Interviewpartner/innen schlecht behandelt wurden.

Was Journalist/innen in Seminaren lernen sollten:

  • Es gibt den journalistischen Rollenkonflikt in brenzligen Situationen: Muss man helfen oder darf man interviewen? Ist es erlaubt, Helfer zu holen, oder greift man damit zu weit ins Geschehen ein, anstatt Beobachter zu sein? Antworten auf diese Frage sind sehr unterschiedlich, abhängig von der Person und der Situation vor Ort. In einem Seminar sollte über diese Fragen diskutiert werden, das gibt Entscheidungshilfen für den Ernstfall.
  • Woran erkennt man, ob jemand potentiell traumatisiert ist oder nicht? Wie spricht man potentiell Traumatisierte richtig an?
  • Immer deutlich machen, wer man ist und für welches Medium man arbeitet. Das "objektiviert" die Situation und holt den traumatisierten Menschen auf den Boden der Realität zurück.
  • Zustimmung zum Interview ausdrücklich einholen und notfalls wiederholen! Block und Mikrofon, auch wenn es nicht eingeschaltet ist, sind da wichtige "optische Erinnerungshilfen". Problem: Wie "entscheidungsfähig" sind Traumatisierte?
  • Niemals Dinge versprechen, die man dann nicht halten kann. z.B. "Da ist doch gleich eine Pressekonferenz, da können Sie sicherlich mit hin kommen..."
  • W-Fragen (Wer, Wo, Wie, Was, Wann usw.) helfen für die eigene Struktur des Interviewers/der Interviewerin und sind für Betroffene hilfreich, weil auch diese Struktur die Situation "objektiviert" und vergegenwärtigt.
  • Welche Fragen sind für das Opfer gefährlich? (Beispiele)
  • "Sie sehen ja sehr geschockt aus." -> Das ist meine Empfindung, das kann mein Gegenüber endgültig aus der Bahn werfen, so eine Rückmeldung braucht er nicht.
  • Nicht zu viel nach Gefühlen fragen und damit das Gegenüber auf sich selbst zurück werfen, sondern stattdessen mit Fragen helfen, Situationen zu "erden", zu rationalisieren, zu objektivieren.
  • Auf keinen Fall das Erlebte oder die Art, wie gehandelt wurde, in Frage stellen ("Und hätten Sie Ihr Kind nicht selbst durch das Feuer tragen können?") - das kann Schuldgefühle auslösen!
  • Ist berühren erlaubt / erwünscht? Antwort im Londoner Seminar: Das kommt auf die Auslöser des Traumas an. Bei sexuellem Missbrauch z.B. kann jede Berührung fatale Folgen haben, nach einem Autounfall kann es einem Opfer helfen, in die Realität zurück zu finden.
  • Wie trifft man ethische Entscheidungen in extremen Stress-Situationen?
  • Vorsicht vor Dämonisierung journalistischer Arbeit als "Sensationsgier": Wir nehmen keine Informationen weg von Leuten, wir lutschen niemanden aus. Wir teilen Geschichten. Wir helfen, zu objektivieren, indem man uns eine zusammenhängende Geschichte erzählt ("building narratives").
  • Journalisten haben in ihrer Rolle ein Recht, vor Ort zu sein und ihre Arbeit zu tun. Sie müssen aber lernen, wie sie das in extremen Situationen richtig tun.
  • Was gibt einem das Recht, in die Schicksale traumatisierter Menschen hinein zu schauen? Wichtig ist die Grundhaltung: Ich bekomme ein Geschenk, wenn Menschen mir etwas erzählen, mit diesem Vertrauen muss ich verantwortungsvoll umgehen!
  • Ethik heißt, nur das tun, wonach man den anderen auch wieder gerade in die Augen gucken kann. Oder die härtere Variante "Frage nichts, was Du nicht selbst beantworten würdest!" Minimal: Schade wenigstens niemandem!
  • Durch wachsende Vernetzung und den Druck, immer längere Sondersendungen füllen zu müssen, werden einmal gefilmte Bilder vielfältig weiter verteilt und immer wieder ausgestrahlt. Es ist so kaum möglich, einmal gesendete Bilder und Interviews wieder aus dem Verkehr zu ziehen. Deshalb müssen schon vor Ort sehr sensible ethische Entscheidungen getroffen werden, was man filmt, wo man die Kamera lieber ausgeschaltet lässt und welche Interviews man überhaupt in den Umlauf bringt.
  • Im geschützten Raum (Seminar) können die Teilnehmenden die emotionale Erfahrung machen, wie man sich im Dreieck zwischen Produktionsdruck, eigenen Emotionen und Professionalität fühlt und behauptet.
  • Jedes Interview mit einer/m Traumatisierten kann sehr nah an eigenen, womöglich bis dahin komplett verschütteten Traumata sein. Das bedeutet, die Situation des Interviews (z.B. am Rande eines Unfalls) kann mich selbst an eine eigene Traumatisierung bringen. Es ist wichtig, die Sensibilität dafür zu entwickeln, dass es das auch in der aktuellen Gruppe geben kann und es dann okay ist, darüber zu sprechen.
  • Frage der Glaubwürdigkeit von Traumatisierten - sind sie eigentlich "die Richtigen" für ein Interview?
  • Wie verabschiedet man sich richtig von einer traumatisierten Person? Frage aus dem Seminar: "Wenn ich merke, ich kriege hier keine Antworten mehr, muss ich doch weiter gehen, die Zeit läuft... Ich kann die Menschen aber auch nicht einfach so stehen lassen."
  • Sonderfall Kamerateam: Wie koordiniert man ein Team, wenn sich z.B. im geschützten Raum des Londoner Seminars schon die Zeitungskollegen kaum trauen, sich Notizen zu machen, während sie mit einem traumatisierten Menschen sprechen?

Was Heimat-Redaktionen / Kolleginnen und Kollegen an den Schreibtischen und in den Studios in Seminaren lernen sollten:

  • Je weiter man von der emotionalen Betroffenheit einer Situation weg ist, desto weniger sensibel ist man für die Belastungen und ethischen Grenzen vor Ort. Es ist darum notwendig, sich sehr bewusst in die Situation vor Ort hinein zu versetzen. Im Aktualitätsdruck ist die Gefahr groß, dass die koordinierenden Redaktionen unsensible Entscheidungen treffen, weil Sonderseiten und -sendungen gefüllt werden müssen.
  • Je weiter man weg ist und im Produktionsdruck steht, desto unsensibler geht man z.B. auch mit den Bildern um, die überspielt werden. Man muss in den Studios also doppelt wachsam sein, was auf diesen Bildern zu sehen ist. (z.B. wurde nach einem Busunglück immer wieder ein Aufnahme gesendet, bei der mitten in den Trümmern ein toter Mensch aus dem Bus-Fenster hängt. Der Kameramann vor Ort hatte dieses Detail bei seinem Schwenk evtl. gar nicht bemerkt)
  • Fragen Sie sich: Was braucht der Mensch vor Ort für eine Unterstützung von mir?
  • Fragen Sie den Menschen vor Ort: Geht es ihm gut? Gibt es etwas, was Sie für ihn oder sie tun können? Gibt es jemanden, den Sie informieren sollen, dass es ihm oder ihr gut geht?

Worauf das Leitungsteam eines Seminars achten sollte:

  • Tragen Sie Sorge dafür, dass aufbrechende eigene Traumata oder Überforderungen von Seminarteilnehmer/innen angemessen behandelt werden können (Zeit dafür nehmen, Psychologen im Team haben, Ansprechpartner/innen zur Verfügung stellen können usw.) Wichtig dabei: eine Person, die den Raum verlässt, drückt vielleicht nicht nur die eigene Stimmung, sondern auch die Gesamtbelastung der Seminargruppe aus! Erfahrung von Roger Simpson (Dart Centre Seattle/USA): Wer das Thema Trauma anspricht, kann häufig beobachten, wie sich bei den Zuhörenden quasi ein Vorhang vor den Gesichtern schließt. Deshalb ist er dazu über gegangen, auch bei anderen, vorgelagerten Unterrichtseinheiten mögliche traumatische Aspekte immer wieder anzusprechen, um die Trauma-Unterrichtseinheit vorzubereiten.
  • Nicht zuletzt, um sich z.B. um einzelne Seminarteilnehmer/innen kümmern zu können, ist es wichtig, das Seminar mit einem möglichst großen Team zu leiten. Männer, Frauen, verschiedene Ethnien, Religionen und Kulturen sind zu berücksichtigen. Je mehr Stimmen zu hören sind, desto besser bleiben die Lernerfolge auch hängen. Eine Frau und ein Mann sollten mindestens dabei sein. Nach Möglichkeit auch mindestens ein Therapeut/eine Therapeutin!
  • Das Leitungs-Team muss persönlich werden und das Potential eigener Erfahrungen nutzen, das ist am überzeugendsten.
  • Bei einer Journalistenausbildung bietet Roger Simpson (Dart Centre Seattle/USA) ca. 6 Unterrichtsstunden über Trauma an:
  • eine 45minütige Vorlesung über Trauma und Trauma-Folgen und warum diese Fragen für die Journalisten-Ausbildung wichtig sind,
  • (Film-)Beispiele, wie gut oder schlecht mit Traumatisierten umgegangen worden ist.
  • Jeder interviewt einmal ein "Trauma-Opfer"(Schauspieler, siehe unten). Umgang mit Traumatisierten kann man nicht theoretisch lernen, sondern nur emotional. Deshalb sind Rollenspiele (s.u.) unabdingbar wichtig. Vorsicht: Der Körper kennt keinen Unterschied zwischen einer erlebten und einer simulierten Situation (z.B. steigt mit Sicherheit die Herzfrequenz bei einer solchen Befragung usw.).
  • Es sollten veröffentlichungsfähige Berichte über diese Begegnungen erstellt werden. Die Auswertung kann auch in Kleingruppen oder z.B. anonymisiert stattfinden. Evtl. sollte man sogar eine Pressekonferenz vorab simulieren, um die Fakten des Übungs-Settings klar und die Situation noch realistischer zu machen.
  • Gleichzeitig sollten die Teilmehmer/innen auch ihre persönlichen Gedanken und Eindrücke schriftlich festhalten. Eine Auswertung kann dann auch anonym erfolgen. Es ist wichtig, zu lernen, Worte für das Erlebte zu finden. Auch das Leitungs-Team muss die Möglichkeit erhalten, eigene Erfahrungen und Wahrnehmungen während des Seminars niederzuschreiben.
  • Abschlussfrage: Was habt Ihr erlebt/gelernt / was nehmt Ihr mit in Euren Arbeitsalltag?
  • Die Anwesenheit von Menschen, die selbst ein Trauma erlitten haben und die von ihren Erfahrungen berichten, ist enorm beeindruckend für die Teilnehmenden. Für die Betroffenen selbst ist diese Rolle auch oft sehr hilfreich: Sie lernen, öffentlich über ihr erlittenes Trauma und ihre Erfahrungen zu sprechen, ernst genommen und als Experte/Expertin behandelt zu werden. Und sie machen positive Erfahrungen mit der Presse bzw. können bei erlittenen schlechten Erfahrungen etwas dafür tun, dass es anderen nicht genau so ergeht.
  • Um solche Menschen zu finden, kann man z.B. Hilfsorganisationen ansprechen, deren Presse-Leute oft selbst betroffen sind und gewohnt sind, öffentlich aufzutreten. Betroffene sollten Freunde oder Hilfspersonen mitbringen. Das hilft ihnen und verstärkt die Wirkung bei den Seminar-Teilnehmenden.

"Rollenspiel" (eigentlich "interaktives Drama") im Londoner Seminar:

  • Vier SchauspielerInnen spielen Traumatisierte während eines Haus-Brandes
  • Der Schuldbewußte, der seinen Neffen schon vor einer Stunde hätte abholen sollen. Jetzt kommt er zu spät, das Haus brennt und er weiß nicht, wo sein Neffe ist.
  • Der Ärgerliche, der nicht weiß, wo der Sohn seiner Schwester steckt, und der auch keine Informationen von der Polizei bekommt, stattdessen den Journalisten in die Pflicht nehmen will
  • Die Gelähmte, die weinend auf dem Boden kauert, kaum sprechen kann und zusehen musste, wie ihr Mann wieder in das Haus gerannt ist, um Leute zu retten. Seitdem hat sie ihn nicht wieder gesehen.
  • Die Nervöse, Managerin des Hauses, die die Verantwortung für alles hat, aber jetzt zum Nichtstun verurteilt ist, solange die Rettungskräfte arbeiten. Sie sorgt sich um ihre Bewohner und ihren Job.
  • Jede dieser Personen hat seine / ihre Rolle intensiv mit dem Trainer, Jim Boggs von "EffectiveArts", vorbereitet. Dazu gehörte eine Seite Text mit einer Situations- und Rollenbeschreibung (shared details, crisscrossed details, own details) und ein langes Gespräch über die Verantwortung der Schauspieler/innen für die Traumata der Interviewenden (sie müssen, während sie intensiv ihre Rollen spielen und gleichzeitig beobachten, ob die Interviewenden dem gewachsen sind, und im Ernstfall sofort aus der Rolle aussteigen).
  • Die Interviewerinnen und Interviewer wurden in Zweier-Gruppen einem Coach zugeteilt und gingen von Person zu Person. Sie sollten jeweils allein, in klar begrenzter Zeit (wenige Minuten) Interviews führen. Die anderen Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer durften das beobachten. Dann wurde fünf Minuten lang ausgewertet.

Erfahrungen mit solchen Rollenspielen:

  • Wichtig sind sachliche Rückmeldungen zum Umgang mit Trauma-Opfern und der Austausch persönlicher Erfahrungen ("Die Trauer der anderen hat mich gelähmt", oder "Der wütende Mann hat mich völlig überfordert, ich wusste nicht, wie ich ihn wieder beruhigen sollte.")
  • Keine zentralen Frontal-Situationen für solche Interviews wählen (z.B. einer interviewt auf einer Bühne und die anderen schauen alle stumm zu), dann spielt man zu sehr Rolle. Besser ist, Kleingruppen von 3-4 Leuten plus Coach zu bilden und alle in einem eigenen Raum oder alle zusammen in einem großen Raum arbeiten zu lassen, dann vergisst man das Publikum und lässt sich auf die Situation intensiver ein.