"Amok, Unfälle, Katastrophen - Gewalt und Trauer im Lokaljournalismus"
Zu einer speziellen Fortbildung für Lokaljournalisten mit Gastvorträgen vieler hochkarätiger Expertinnen und Experten lädt das Dart Center Deutschland/Dart Center Europe vom 8.-10. Dezember in das Nordkolleg Rendsburg ein.
Um sich zu bewerben, beachten Sie bitte die detaillierten Teilnahmebedingungen und füllen Sie das Onlineformular aus. Die Bewerbungsfrist endet am 26.Oktober 2013. Bewerber werden Anfang November benachrichtigt.
Der Workshop soll die Teilnehmer dazu befähigen, angemessen mit Gewalt und Katastrophen umzugehen, einen sensibleren Umgang mit Betroffenen und Opfern zu lernen und sich selbst vor Belastungen zu schützen. Die Veranstaltung richtet sich somit sowohl an Reporter, Redakteure und freie Mitarbeiter der Redaktionen, als auch an Bildredakteure und Blattmacher. Unterstützt wird die Fortbildung von der Medienstiftung Schleswig-Holstein, der Augstein-Stiftung und der Stiftung Pressehaus NRZ, sowie durch den DJV Kiel und die FH Kiel. Die Fortbildung ist der Auftakt einer umfassenden, auf drei Jahre angelegten Initiative. Das Bewerbungsverfahren für dieses Seminar wird ab September auf dieser Webseite abrufbar sein.
Petra Tabeling, wer kann sich für diese Fortbildung bewerben?
Entscheidend für den Erfolg des Seminars wird eine gute Mischung sein: Wir suchen 10 junge und 10 erfahrene Journalistinnen und Journalisten aus Lokalredaktionen, gerne aus Führungspositionen, Frauen und Männer, Feste und Freie, sowie Vertreter verschiedener Medien-Gattungen (Zeitungen, Radio, TV, Online), gerne auch Kameraleute oder Fotografen. Die Gruppe soll sich gemeinsam mit der Berichterstattung über traumarelevante Themen in unserem journalistischen Arbeitsalltag im lokalen Bereich beschäftigen - das können die täglichen Feuerwehreinsätze oder Unfälle sein, aber auch Amokläufe, Überschwemmungen wie kürzlich in Nord- und Ostdeutschland, sexualisierte Gewalt usw.
Gavin Rees, Sie sind Leiter des Dart Center Europa in London, was können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Seminar mitnehmen?
Wir werden uns mit den ganz praktischen Fragen aus dem lokaljournalistischen Arbeitsalltag beschäftigen, die uns an unsere ethischen Grenzen bringen. Journalisten lernen in ihrer Ausbildung wenig darüber, wie sie mit traumatischen Ereignissen als Berichterstatter umgehen sollen, aber das bedeutet nicht, dass es ihnen egal ist, wie sie auftreten. Wir machen als Dart Center weltweit immer die gleiche Erfahrung: die besten Erkenntnisse, die hilfreichsten Tipps, bekommen wir aus Gesprächen mit unseren Kollegen und dem Austausch untereinander. Unglücklicherweise lassen Arbeitsdruck, Redaktionsschluss und der mediale Wettbewerb wenig Platz dafür, um einen Schritt zurück zu treten, und ein Erlebnis mit den Kollegen zu besprechen und zu überdenken. Aber je mehr man das tut, desto besser ist man gerüstet für den nächsten schwierigen Einsatz.
Was wird die Teilnehmer in diesem Seminar erwarten?
Gavin Rees: Unser Ziel ist, die Redaktionen zu stärken und eine bessere Berichterstattung zu fördern. Wir freuen uns sehr darüber, dass die beteiligten Stiftungen uns so eine Fortbildung ermöglichen. Wir werden über Ethik und Haltungen sprechen und ganz praktische Arbeitswerkzeuge dafür anbieten, wie man bessere Interviews macht oder sich selbst vor Belastungen bei schwierigen Themen schützen kann.
Das Seminar wird eine ausgewogene Mischung aus Gastvorträgen, Schulungsinhalten von Dart Center Mitarbeitern, interaktiven Gruppenarbeitsphasen und Erfahrungsaustausch sein. Wir werden renommierte Expertinnen und Experten aus Redaktionen und von medizinisch/therapeutischer Seite sowie Betroffene/Überlebende einladen. Sie werden aus verschiedenen Perspektiven über ihre eigenen Erfahrungen mit der Berichterstattung über Katastrophen (z.B. den Amoklauf in Winnenden) sprechen und Lösungen anbieten, wie sie damit umgegangen sind oder was sie sich von uns Journalisten wünschen. Außerdem werden wir das Fachwissen vermitteln, das man braucht, um die Anzeichen von Belastungen bei sich selbst, bei Kollegen und Interviewpartnern zu sehen und besser darauf zu reagieren. In diesem Seminar sollen dann Materialien entwickelt werden, um sie in den Redaktionen an möglichst viele Journalisten weiter geben zu können.
Petra Tabeling: Kriegsberichterstatter werden häufig gefragt „Hast Du keine Angst, dorthin zu fahren?“ Lokalredaktionen in Deutschland werden von Katastrophen meistens überrascht. Wer fragt die Volontärin, die zu ihrem ersten großen Verkehrsunfall mit mehreren Toten rausgeschickt wird, ob sie sich dem gewachsen fühlt? Trotzdem kann sie einen Bericht in der akuten Lage nicht ablehnen. Nach dem Loveparade-Unglück wurden sehr junge Party-Reporter ohne Vorwarnung plötzlich zu Krisen-Berichterstattern. Niemand hat uns beigebracht, wie wir der Mutter begegnen sollen, die ihr Kind bei einem Unglück verloren hat. Wir werden für Interviews mit traumatisierten Menschen nicht ausgebildet, das schadet uns und unseren Interviewpartnern, häufig auch unseren Lesern oder Zuschauern, und dem Ruf der Medien insgesamt. Diese Fortbildung soll anhand vieler praktischer Beispiele versuchen, die Lücke zu schließen.
Wenn Sie mehr über das aktuelle Bewerbungsverfahren und das gesamte Projekt erfahren möchten, senden Sie uns bitte eine kurze Email: [email protected].